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Der Leonhardsplatz

Damals Ausflugsziel

 

 

Artikel aus unserem Stadtteilmagazin Ausgabe 3, Juli 2013

 

Plätze sind Straßen – Straßen sind Plätze. Der Leonhardsplatz

Plätze haben es heutzutage schwer. Viele tragen wohl noch den stolzen Namen „Platz“, sind aber längst zu bloßen Straßenkreuzungen herabgewürdigt  worden, andere sind zu „Parkplätzen“ degradiert worden. In der autogerechten Stadt geht`s halt nicht anders. Das Ergebnis sieht dann so aus wie der Rathenauplatz oder der Stresemannplatz, aber auch der Aufsessplatz, der aussieht  wie die Verlängerung der Aufmarschstraße vom Reichsparteitagsgelände und jeglichen   urbanen Charmes entbehrt. Vorläufiges Fazit: Plätze sind Straßen geworden, heißen aber immer noch „Platz“. Einige Plätze in Nürnberg haben dennoch ihren Charakter als Platz erhalten, so der Kobergerplatz und unser Leonhardsplatz.

Was zeichnet einen gestandenen Platz aus? Einmal ist er begrenzt, eingesäumt von schmucken Bürgerhäusern. Bäume schaffen im Sommer Schatteninseln, Bänke laden zum Verweilen ein, vielleicht kann man das Geplauder eines Brunnens hören. Keinen Zutritt haben Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, dagegen Rentner, Kinder, kurz alle, die  Ruhe suchen, die miteinander reden wollen oder  dort spielen wollen. Plätze sind seit alters her Ruhezonen, Oasen im Getriebe der Stadt.

Wer nun aber denkt, er finde unseren Leonhardsplatz im Adressbuch der Stadt Nürnberg, wird enttäuscht werden. Wir stoßen zwar auf die Leonhardsstraße, die ist aber in Gostenhof. Der Platz ist nicht zu finden. Aber, siehe da, im Stadtplan taucht er plötzlich 1997 auf. Wie gesagt, Plätze haben es schwer. Nun könnte man  denken, dass zu einem Platz auch Häuser gehören. Diese werden unserem so gemütlichen Platz bis heute verwehrt.  Die Häuser gehören immer noch zu den den Platz begrenzenden Straßen. Für alte Leonharder ist ja der Leonhardsplatz eh kein Platz, sondern  heißt Leonhardspark nach der ehemaligen  Gaststätte „Zum Leonhardspark“, wohl weil die Gaststätte einen herrlichen schattigen Wirtshausgarten hatte. Wir können von Glück  sagen, dass sich die Akte zu unserer Gaststätte „Zum Leonhardspark“ noch erhalten hat, denn nahezu alle Vorortakten sind mit dem Pellerhaus zerstört worden.

Weiter zurück als unsere Wirtshausakte geht Ludwig Eisen in seinem kleinen Werk „Aus der Geschichte der Nürnberger Vororte Sankt Leonhard, Sündersbühl und Schweinau“ . Das 1932 erschienene kleine Büchlein ist immer noch die beste Quelle für uns. Auf die Geschichte des Leonharder Siechenkobels einzugehen, führt hier zu weit.  Was unseren Platz und die Ausflugsgaststätte betrifft, ist es aber doch sehr ergötzlich zu lesen, dass schon zur Zeit des Siechenkobels Gäste bewirtet wurden.  Die Verwaltung des Kobels war einem Haus- oder auch Hofmeister übertragen, der auch den Mesnerdienst innehatte.  „Der Hofmeister hatte  (nach dem Dreißigjährigen Krieg) auch den Wein für die Siechen einzulegen und zu verschenken. Natürlich hat er gelegentlich auch Gäste bewirtet. Daraus entwickelte sich schließlich eine regelrechte öffentliche Schankwirtschaft.“ Nach der Aufnahme Nürnbergs in das Königreich Bayern 1806, auch damals schon waren die Kassen Nürnbergs leer,  musste die Leonharder Kobelstiftung geopfert werden. „Ein Gastwirt von Sündersbühl…hat das gesamte Anwesen um 6100 Gulden ersteigert. Aus dem Siechkobel St. Leonhard wurde die Gartenwirtschaft S. Leonhardspark, die im 19. Jahrhundert sich bald zu einem beliebten Ausflugsort für die Nürnberger Bürgerschaft entwickelte.“   So Eisen 1932. Wo einst Sieche, also Leprakranke, untergebracht waren, tranken nun verschwitzte Nürnberger unter schattigen Bäumen ihr kühles Bier. Wenn das kein Fortschritt ist! Die Ansichtskarte von 1924 „Gruss aus Nürnberg-Skt. Leonhard“ zeigt uns unten links die Gaststätte und den von einer Mauer umgebenen großen Wirtshausgarten. Werfen wir einen Blick in die Wirtshausakte der Nürnberger Aufsichtsbehörde.

1875 hat der Wirt Grillenberger die Gaststätte gepachtet und übernommen : „30 Wirtschaftstische, 95 Wirtschaftsstühle…zwei eiserne Bratpfannen, 95 Bier-Pokal-Gläser, 39 leere Weinflaschen, 4 beschlagene gläserne Maßkrüge“ usw., werden in dem detaillierten Inventarverzeichnis aufgeführt. Wir können einen häufigen Pächterwechsel feststellen. In der Regel waren es ordentliche Bürger, aber bei Georg Purucker war das anders, er war acht mal verknackt worden. Man kann sich gut vorstellen, was er für ein Kerl war: Unberechtigtes Fischen, acht Tage Haft, grober Unfug, zwei Tage Haft, Körperverletzung, fünf Tage, Polizeistundenübertretung zwei Tage, Beleidigung vier Tage, Übertretung der Polizeistund und unerlaubte Tanzveranstaltung, das letztere war 6 Tage wert.

In dem Abschnitt über Purucker von 1894 finden wir auch eine schöne Beschreibung der Örtlichkeit: “…das Anwesen liegt an der Anspacher-Staatsstraße und grenzt unmittelbar an den Kirchenhof. Der große hübsche und schattige Wirtshausgarten wird einerseits von den Wirtschaftsgebäuden auf den übrigen Seiten von der Staats- und von der Schulgasse begrenzt und ist von genannten Staßen aus zugängig. Im Garten befindet sich ein Musikpavillon. Das Gastzimmer ist vom Garten aus zugängig. …“ Auch ein großer Saal mit Galerie ist vorhanden. 1928 möchte der Wirt Dörfelt in der Gaststätte  „öffentliche Veranstaltungen von Singspielen (jedoch nicht theatralische Vorstellungen), von Gesangs-und deklamatorischen Vorträgen und zur Schaustellung von Personen, soweit es sich um die Vorführung von Ring- und Boxkämpfen handelt“ , durchführen. Zirka hundertfünfzig Jahre nach Errichtung einer offiziellen Gaststätte, 1954, nach dem verheerenden Weltkrieg, ist die Gaststätte doch etwas marode. 1954 wird  von der Bauordnungsbehörde moniert: „Es muss als Schande bezeichnet werden, dass für einen Wirtschaftsgarten mit 1500 Plätzen nicht ein Abort und nicht ein Piss-becken vorhanden ist. Die Schließung des Wirtschaftsgartens wolle in Aussicht gestellt werden.“

Die Bewohner und Anwohner beschweren sich 1963, dass „amerikanische Soldaten ihre Pkws im Park vor der Gaststätte abstellen. Und auf Grund ihres angetrunkenen Zustandes sich lärmend aufführen. Auch soll beobachtet worden sein, dass die amerikanischen Soldaten im Park bzw. in ihren Pkws den Geschlechtsverkehr mit Ihren Mädchen ausüben“. „Zu den Stammgästen ..zählen etwa 10 amerikanische Soldaten. Ansonsten verkehren in dem fragl. Lokal junge Mädchen und Burschen, sogen. Halbstarke.“

:-Das Ende für die beliebte Ausflugsgaststätte aus dem 19. Jahrhundert kam 1965, leider wurden wohl auch Gemäuer noch aus der Zeit des Siechkobels zerstört. Heute wird an diesem historischen Ort nicht mehr gezecht, sondern das Geld der Leonharder von der Stadtsparkasse verwaltet. Allein die Pizzeria erinnert noch an die gastronomische Tradition. Hoffen wir, dass uns der von Bäumen beschattete Leonhardsplatz noch erhalten bleibt und nicht in die Hände der Gestalter des Kornmarktes und des Aufsessplatzes gerät.

(Klaus Thaler)